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FIW-Jahresgutachten 2022 veröffentlicht: Ausfall des Wintertourismus bescherte Österreich 2021 erstes Leistungsbilanzdefizit seit 20 Jahren

Das Kompetenzzentrum "Forschungsschwerpunkt Internationale Wirtschaft" (FIW) hat sein Gutachten zur Lage der österreichischen Außenwirtschaft im Jahr 2022 vorgelegt.  

Für 2021 prognostiziert das Kompetenzzentrum "Forschungsschwerpunkt Internationale Wirtschaft" (FIW) ein Leistungsbilanzdefizit in Höhe von 3,2 Mrd. € (‑0,8% des BIP). Gründe für Österreichs erstes Defizit seit 20 Jahren ortet das FIW-Jahresgutachten im Totalausfall des Wintertourismus 2020/21 sowie der Verschlechterung der Handelsbedingungen bei einer gleichzeitig dynamischeren Entwicklung der österreichischen Importe. 2022 wird wieder mit einem Überschuss in Höhe von rund 3,5 Mrd. € gerechnet.

Das  FIW-Jahresgutachten 2022 steht Ihnen hier zum Download zur Verfügung.

Der Datenappendix ist als PDF, sowie als Excel-Datei zum Download verfügbar.

Das Kompetenzzentrum "Forschungsschwerpunkt Internationale Wirtschaft" (FIW) stellte am Montag, den 21. Februar 2022 sein insgesamt drittes Jahresgutachten zur "Lage der österreichischen Außenwirtschaft" vor. Das Jahresgutachten widmet sich den aktuellen internationalen Rahmenbedingungen für die österreichische Außenwirtschaft und der Handelsentwicklung im Jahr 2021. Darüber hinaus präsentieren die Studienautorinnen und Studienautoren kurz- und mittelfristige Prognosen für die zu erwartende zukünftige Entwicklung der österreichischen Außenwirtschaftsbeziehungen.

Das Jahr 2021 stand unter dem Eindruck von unterschiedlichen Entwicklungen, die mit der COVID-19-Pandemie eine gemeinsame Ursache teilen. Der österreichische Warenaußenhandel entwickelte sich vor allem im 1. Halbjahr 2021 dynamisch, stand aber zunehmend unter dem Eindruck von pandemiebedingten Lieferengpässen und Materialknappheiten. Während die österreichischen Warenimporte sich von dieser Entwicklung kaum beeindruckt zeigen und vor allem die Importe von Investitionsgütern dynamisch wuchsen, litten die österreichischen Exporte stärker unter den angebotsseitigen Kapazitätsbeschränkungen. Gleichzeitig stiegen ab dem Frühjahr die Preise für österreichische Warenimporte stärker als für die Exporte. Diese Verschlechterung der österreichischen Terms-of-Trade verursachte gemeinsam mit den anderen Faktoren ein prognostiziertes Handelsbilanzdefizit in Höhe von nominell 11 Mrd. € (2,7% des BIP).

Der österreichische Dienstleistungshandel stand 2021 unter dem Eindruck der pandemiebedingt ausgefallenen Wintersaison 2020/21. Für das Jahr 2021 muss auf Grund der sehr schwachen Monate zu Jahresbeginn von einem Rückgang der Reiseverkehrsexporte um 24,6% im Vorjahresvergleich ausgegangen werden. Transportdienstleistungen sowie unternehmensnahe Dienstleistungen, die eng mit dem Warenhandel verknüpft sind, konnten sich dynamischer entwickeln. Insgesamt geht das Jahresgutachten von einem Wachstum der österreichischen Dienstleistungsexporte von 1,1% aus. Die österreichischen Dienstleistungsimporte reagierten im Jahr 2021 kaum auf COVID‑19‑bedingte Einschränkungen und konnten sich dynamisch mit einer Wachstumsrate von 7,4% erholen. Die stärkere Dynamik in den Dienstleistungsimporten führt gemeinsam mit dem relativ großen Handelsbilanzdefizit zu einem negativen Ergebnis der Leistungsbilanz in Höhe von 3,2 Mrd. € (‑0,8% des BIP).

Im Jahr 2022 dürfte die Leistungsbilanz laut den Studienprognosen mit einem Überschuss in Höhe von rund 3,5 Mrd. € wieder positiv ausfallen. Im Dienstleistungshandel ist durch eine starke Erholung der Exporte um 18,1% bei einer Wachstumsrate der Importe von 11,4% mit einem größeren Überschuss zu rechnen. Die negative Handelsbilanz wird sich ebenfalls etwas verringern, jedoch auf einem hohen Niveau verbleiben.

Im Bezug auf Materialknappheiten und Lieferengpässen bei Zwischenprodukten stellt sich die handels- und wirtschaftspolitische Frage nach Verbesserungspotentialen in der Resilienz von europäischen und österreichischen Wertschöpfungsketten. Dieser Punkt wirft die Frage nach Rückverlagerungen der Produktion von vor allem strategisch als wichtig erachteten Waren wie etwa Batterien oder Halbleitern auf. Hierbei erscheint eine tiefgreifende Analyse der Bestimmungsfaktoren für die Auslagerung dieser Produktion notwendig, um eine evidenzbasierte wirtschaftspolitische Entscheidung ableiten zu können.