Grafik der Woche: Die Bedeutung von risikobehafteten Produkten in den Lieferketten der Industrie

Die COVID-19-Pandemie stellt einen noch nie dagewesenen Schock für das globale Wachstum und den internationalen Handel dar und rückte internationale Abhängigkeiten in den Fokus. Dies löste Diskussionen über die Widerstandsfähigkeit von globalen Wertschöpfungsketten aus.

In der FIW-Studie "Learning from Tumultuous Times. An Analysis of Vulnerable Sectors in International Trade in the Context of the Corona Health Crisis“ erstellen die Autoren Oliver Reiter und Robert Stehrer (wiiw) einen "Produktrisiko-Indikator" für fast 5000 global gehandelte Produkte, der auf Kennzahlen wie Marktkonzentration, Clustering-Tendenzen, Netzwerkzentralität von Akteuren oder internationaler Substituierbarkeit basiert. Als Ergebnis dieser Analyse werden 435 von 4706 Produkten als "riskant" definiert.
Die Analyse, welche Branchen einen hohen Anteil an risikobehafteten Produkten in ihren importierten Zwischenprodukten aufweisen, ermöglicht es im nächsten Schritt, jene Branchen zu identifizieren, die für Angebotsschocks anfällig sind und eine Wirtschaft destabilisieren könnten.

Handelsdaten enthalten allerdings keine Informationen über die verwendenden Wirtschaftszweige. Daher kombinieren die Autoren die Handelsdaten der BACI-Datenbank mit den Input-Output-Daten der World Input-Output Database (WIOD) und verwenden eine Zuordnung von der HS-Produktklassifikation zur NACE Rev. 2-Industrieklassifikation. Auf diese Weise können sie die „Produktrisiko-Indizes“ von allen 6-stelligen HS-Produkten auf die verwendenden Industrien abbilden:

Anteil von riskanten Importen in beschaffenden Industrien für ausgewählte Handelspartner (Österreich 2014)

Die Grafik zeigt, wie die Anteile risikobehafteter Produkte an den österreichischen Importen nach Branchen und Exportregionen variieren. Dabei zeigt sich, dass die Hightech-Branchen, definiert als die Branchen C26 (Herstellung von Datenverarbeitungsgeräten, elektronischen und optischen Erzeugnissen), C27 (Herstellung von elektrischen Ausrüstungen), C28 (Maschinen-bau), C29 (Herstellung von Fahrzeugen und Kraftwagenteilen), C30 (Herstellung von sonstigen Fahrzeugen) und C33 (Reparatur und Installation von Maschinen und Ausrüstungen) durch einen hohen Anteil risikobehafteter Produkte an ihren Vorleistungsimporten gekennzeichnet sind.
Angesichts der engen Verflechtung der europäischen Mitgliedstaaten ist es nicht überraschend, dass der größte Anteil der risikobehafteten Einfuhren nach wie vor aus der EU27 stammt. Darüber hinaus sehen wir, dass - unter Berücksichtigung der Extra-EU-Handelsströme - Importe aus Nicht-EU-Ländern und China einen größeren Anteil an risikobehafteten Importen vor allem in diesen Hochtechnologiebranchen ausmachen, die bis zu 10-12% in Branchen wie C26 (Herstellung von Datenverarbeitungsgeräten, elektronischen und optischen Erzeugnissen) und C33 (Reparatur und Installation von Maschinen und Geräten) ausmachen.

Aufbauend auf diesen Ergebnissen leiten die Autoren einige Handlungsempfehlungen für politische Entscheidungsträger ab. Wertschöpfungsketten von essenziellen und risikoreichen Produkte sollten robust (wobei Robustheit die Fähigkeit die Produktion auch während Krisen aufrecht zu erhalten beschreibt) sein während Wertschöpfungsketten von risikoreichen aber nicht essenziellen Produkten resilient (Resilienz ist die Fähigkeit nach Krisen schnell auf Normalbetrieb zurückkehren zu können) sein sollten.
Weitere Empfehlungen sind die Erhebung und Bereitstellung von Informationen für Unternehmen über potenzielle Konzentrationen und Engpässe entlang einer Wertschöpfungskette, die Durchführung von Stresstests oder die strategische Bevorratung. Auch die Rückverlagerung von Wertschöpfungsketten ist ein oft vorgebrachter Vorschlag in der Literatur. Die OECD (2020) weist dabei allerdings auf die hohen Kosten des Aufbaus einer Wertschöpfungskette und die möglichen Effizienzverluste hin, während das EU Parlament (2021) vor überhöhten, unrealistischen Erwartungen warnt und Rückverlagerung nur im kleinen Rahmen erwartet.

Weiterführende Informationen und Analysen zum Thema finden Sie in der FIW-Studie "Learning from Tumultuous Times. An Analysis of Vulnerable Sectors in International Trade in the Context of the Corona Health Crisis"), die im Juli 2021 erschienen ist und als Download zur Verfügung steht:
Link zur Studie
Link zur deutschen Policy Note

Die Video-Aufzeichnung der Studienpräsentation vom 15.9.2021 können Sie auf unserem Blog ansehen.
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