FIW-Jahresgutachten 2023 veröffentlicht: Österreichs Außenhandel stagniert 2023
Das Kompetenzzentrum "Forschungsschwerpunkt Internationale Wirtschaft" (FIW) hat sein Gutachten zur Lage der österreichischen Außenwirtschaft im Jahr 2023 vorgelegt.
Nach einer dynamischen Entwicklung 2022 erwartet das FIW für dieses Jahr nur ein geringes Wachstum der österreichischen Exporte und Importe. Für 2023 prognostiziert das Kompetenzzentrum "Forschungsschwerpunkt Internationale Wirtschaft" (FIW) ein Wachstum der Gesamtexporte in Höhe von lediglich 0,3%. Die Importe dürften heuer um 0,9% steigen. Vor allem durch die steigenden Importpreise, verursacht durch die Energiekrise, wird Österreich 2023 das erste Mal seit 2001 eine negative Leistungsbilanz aufweisen. Das Defizit beträgt laut Prognose -1,8 Mrd. €, oder 0,4% des BIP.
Das FIW-Jahresgutachten 2023 steht Ihnen hier zum Download zur Verfügung.
Der Datenappendix ist als PDF sowie als Excel-Datei zum Download verfügbar.
Das Kompetenzzentrum "Forschungsschwerpunkt Internationale Wirtschaft" (FIW) stellte am Dienstag, den 21. Februar 2023, sein mittlerweile viertes Jahresgutachten zur "Lage der österreichischen Außenwirtschaft" auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundesminister Martin Kocher vor. Das Jahresgutachten widmet sich den aktuellen internationalen Rahmenbedingungen für die österreichische Außenwirtschaft und der Handelsentwicklung im Jahr 2022. Darüber hinaus präsentierten die Studienautor:innen kurz- und mittelfristige Prognosen für die zu erwartende zukünftige Entwicklung der österreichischen Außenwirtschaftsbeziehungen.
Das Jahr 2022 stand unter dem Eindruck des russischen Angriffs auf die Ukraine und der darauffolgenden Energiepreiskrise. Haushalte und Unternehmen waren von den gestiegenen Energiekosten massiv betroffen. Ab dem zweiten Halbjahr hinterließen der daraus resultierende Angebotsschock und die historisch hohen Inflationsraten ihre Spuren in der Weltwirtschaft. Die österreichische Abhängigkeit von russischem Erdgas stellt die heimischen Haushalte, Unternehmen und die Politik vor besondere Herausforderungen.
Der österreichische Außenhandel konnte sich unter diesen schwierigen Rahmenbedingungen relativ gut behaupten, litt 2022 aber unter der deutlichen Verschlechterung der Terms-of-Trade, also einer Verschlechterung des Verhältnisses zwischen Export- und Importpreisen. Die Preise für österreichische Warenexporte sind um 4,7% weniger stark als die Importpreise angestiegen. In reinen Mengen ausgedrückt haben sich die österreichischen Exporte dynamischer als die Importe entwickelt: Der Gesamtexport von Waren und Dienstleistungen stieg gemäß Prognose real im Jahr 2022 um 8,8%, die Importe nahmen um 5,1% zu. Der negative Terms-of-Trade Effekt überwog jedoch den Mengeneffekt, so dass sich 2022 die österreichische Handelsbilanz um 7,6 Mrd. € im Vergleich zum Jahr 2021 verschlechterte und ein historisches Defizit von -20,5 Mrd. € aufweist. Die positivere Entwicklung der Dienstleistungsbilanz, welche durch eine massive Steigerung der Reiseverkehrsexporte (ausgelöst durch die Abschaffung von COVID-19-bedingten Einschränkungen) getrieben wurde, konnte letztes Jahr das Handelsbilanzdefizit ausgleichen. 2022 ist die Leistungsbilanz mit 200 Mio. € im Plus.
Im heurigen Jahr setzt sich die Verschlechterung der Terms-of-Trade auf Basis der Studienprognose mit einem Minus von 1% weiter fort. Gleichzeitig kommt das Wachstum der realen Gesamtexporte mit einem Plus von lediglich 0,3% beinahe zum Erliegen. Die Warenexporte dürften um 0,1% zulegen, die Dienstleistungsexporte verzeichnen ein Wachstum von 1,2%. Die Gesamtimporte wachsen um 0,9%. Der Unterschied zwischen den Exporten und Importen ergibt sich aus einem höheren Dienstleistungsimportwachstum von 3,3%. Die Handelsbilanz verschlechtert sich durch den weiteren negativen Terms-of-Trade Effekt auf -23,3 Mrd. €. Dieses Defizit wird von den Dienstleistungsbilanzüberschüssen nicht mehr vollständig kompensiert werden können. Die österreichische Leistungsbilanz wird 2023 das erste Mal seit 2001 mit einem Abgang von -1,8 Mrd. € (0,4% des BIP) einen negativen Saldo aufweisen. 2024 sollte sich der österreichische Außenhandel prognosegemäß positiver entwickeln und die Leistungsbilanz zu einem geringen Überschuss zurückkehren.
Vor allem die Energiepreiskrise stellt die europäische und österreichische Wirtschafts- und Handelspolitik vor große Herausforderungen. Eine Beschleunigung des Ausbaus von erneuerbaren Energieträgern kann die österreichische Abhängigkeit und Verletzbarkeit reduzieren, gelingt jedoch nur, wenn entsprechende gesetzliche Rahmenbedingungen und eine gesamtgesellschaftliche Unterstützung vorliegen. Der Ausbau leidet aktuell zusätzlich an den starken Abhängigkeiten bei notwendigen Vorleistungen und Rohstoffen aus China. Eine stärkere Diversifikation der Handelsbeziehungen etwa durch die Ratifizierung von bereits verhandelten Freihandelsabkommen bzw. durch die Verhandlung neuer Abkommen kann zur Beschleunigung der Energiewende beitragen. Die europäische Ebene hat mit Initiativen wie etwa den „Important Projects of Common European Interest“ erste Akzente zur Erhöhung der Unabhängigkeit und Stärkung der Resilienz der europäischen Wirtschaft gesetzt.